Familienverband

Hundhausen

Biographische Skizze

Meine Großmutter Maria Pauline Hundhausen wurde am 29. März 1893 als Tochter des Arztes Dr. Martin Hundhausen und seiner Frau Paula in dem oberbergischen Städtchen Bergneustadt geboren. Sie litt an einer angeborenen Hüftgelenksdysplasie und mußte bis zu ihrem 19. Lebensjahr mehrmals operiert werden. Trotzdem hinkte sie ihr ganzes Leben lang. Da ihre Heiratschancen deshalb als gering eingeschätzt wurden, schickte ihr Vater sie auf ein Pädagogium in Köln, wo sie die Hochschulreife erlangte. Sie sollte studieren, um später ihren Lebensunterhalt selber verdienen zu können.

Maria Hundhausen als junges Mädchen, etwa 1908

 

Nach der zweijährigen Praktikantenzeit in einer Apotheke in Harsefeld bei Hamburg legte sie das pharmazeutische Vorexamen ab und schrieb sich in der Universität Bonn in Pharmazie ein.

Hier bestand sie im Jahre 1916 das Staatsexamen, wie sie später erzählte, als siebte (weibliche) Apothekerin.
Wie es das Schicksal wollte, heiratete sie trotz ihrer Behinderung, und zwar den Apotheker Hermann Güllekes. Sie bekamen vier Kinder.

 

 

Meine Großeltern pachteten 1922 eine Apotheke in der Ackerbürgerstadt Teterow in Mecklenburg (Schwerin). Nachdem die Pacht 1933 abgelaufen war, fanden sie mit Mühe eine andere Apotheke, die sie als Pächter übernehmen konnten. Diese befand sich in Gummersbach im Rheinland. Dort absolvierte auch der älteste Sohn Gerd sein Apothekerpraktikum, bevor er zur Wehrmacht eingezogen wurde. 1943 lief die Pacht der Gummersbacher Apotheke aus, und die Familie Güllekes zog erneut um, nach Essen/Ruhr, wo sie im Norden der Stadt die Hafen-Apotheke übernahm. Diese hatte ihren Namen von dem Binnenhafen am Rhein-Herne-Kanal im Essener Norden, wo die dort geförderte Kohle verschifft wurde.

Als Apothekerpraktikantin in Harsefeld, Herbst 1911

 

Bevor in den 70er Jahren die Niederlassungsfreiheit für Apotheker beschlossen wurde, war es sehr schwierig, nach dem Staatsexamen eine eigene Apotheke zu bekommen. Junge Apotheker mußten sich als Angestellte in einer privilegierten oder konzessionierten Apotheke verdingen oder aber eine Apotheke pachten.

Eine eigene Konzession bekamen sie meistens erst jenseits der 50. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Gerd Güllekes gefallen war, stand die Hafen-Apotheke zum Verkauf.
Meine Großeltern als Pächter bemühten sich darum. Ihr Konkurrent war damals ein ehemaliger höherer Nationalsozialist, der schon wieder zu Geld gekommen war. Gustav Heinemann, der spätere Bundespräsident, war zu der Zeit Oberbürgermeister von Essen und unterstützte meine Großeltern, so daß sie schließlich die Hafen-Apotheke kaufen konnten.
1961 starb Hermann Güllekes, 1964 seine Frau Maria. Ihre Tochter Herta, meine Mutter, die ebenfalls Apothekerin geworden war, übernahm die Leitung der Apotheke, die bis 1983 bestand und dann dem Bau der Essener U-Bahn weichen mußte.

 

 

Man kann sich vorstellen, daß meine Großmutter mit Apotheke, Haushalt und vier Kindern vollbeschäftigt war. Damals hatten allerdings die meisten bürgerlichen Familien noch ein oder sogar mehrere Dienstmädchen, deren Gehalt sehr gering war, so daß sogar ein Apothekenpächter sie sich leisten konnte. So blieb meiner Großmutter doch noch Zeit übrig für die Botanik, die immer ihr Steckenpferd geblieben war, auch nach dem Abschluß des Pharmaziestudiums. 

Ostern 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, hatte Maria Hundhausen an einer von der Pharmazeutischen Fakultät Bonn organisierten botanischen Exkursion nach Südtirol und Istrien teilgenommen, die auch Venedig berührte. 

Maria Hundhausen (2.v.r.) als Studentin auf einer Exkursion nach Südtirol, Venedig und Istrien, Ostern 1914


 

Das Photo zeigt sie inmitten ihrer fröhlichen Reisegefährten als zweite von rechts mit großem Hut und ohne Bierglas (oder hält sie das verschämt hinter ihrem Rücken versteckt?).

 

„Bonn – Kriegssemester 14/15“ – Maria Hundhausen sitzt vorne links auf der Treppe

 


1915 wurde ein anderes Photo aufgenommen, das sie mit Kommilitonen und Dozenten auf der Eingangstreppe zu einem der Institute der Pharmazie in Bonn zeigt.

Ihr Moos-Herbarium hat meine Großmutter schon vor ihrer Heirat begonnen (daher die Initialen M.H.), aber auch später noch eifrig gesammelt.

 

 

Kurz vor ihrem Tode unternahm sie 1963 mit einem ihrer Söhne eine Kreuzfahrt durch das östliche Mittelmeer. Wie mein Onkel mir später erzählte, sei es vorgekommen, daß das Schiff nicht ablegen konnte, weil meine Großmutter auf irgendeiner Wiese botanisierte und darüber die Zeit ganz vergessen hatte.